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Lenz liegt in der Luft

Bild: pixabay

Aus dem Haus heraus ruft es mir zu: „Dat Tweeuhrköppken is feddig! To! De Kaffe is glieks dör!“ Nur für Landfremde: An der Ems sagen wir „Kaffe“ und nicht Kaffee. Unser fein gemahlener Bohnenkaffee läuft noch, „mit brausend heiß Wasser“ (so heißt das hier), von Hand aufgegossen, durch die gute alte Melittatüte, um „keinen Prütt nich in der Tasse zu haben“. Dabei dröppelt er nicht in eine Tasse, sondern in einen Kaffepott. Da passt gut was drin. Tassen sind mehr was für Tuckeltäntchen, die mit ‘nem Tässchen gerne feintun und dabei vom zierlichen Henkelchen das kleine Fingerchen so nüdlich abspreizen. Von kontemporären Coffiefreaks ganz zu schweigen. Gott Dank muss sich unser Kaffe nicht erst fauchend, röhrend und zischend durch eine umgebaute Harley-Davidson winden, um sich dann aus einem chromglitzernden Auspuff lüllend in eine klobig lütte Keramikkuhle zu ergießen. Nö. So ein rausgepresster Lavazza in Ehren, er ist aber nicht unser Begehren. Wir wissen schon, was wir an unserem Käffchen haben. Mit Tee sind wir da ab Papenburg schon was pingeliger. Unsere Bohnen aber müssen von Bremen her wegkommen. Und dann, schön fein gemahlen, heiß durch die Tüte, schlückchenweise … 

     Also da capo: „Was is?! Ick sin mit den Koffi sowiet!“ Eher ich lapidar antworten kann, gleich noch – oh, auf Hochdeutsch! – die besorgte Frage hinterher: „Ist das zum Draußensitzen nich wohl noch was zu frisch?“ „Nö!“, rufe ich träge zurück, um noch eine Weile Ruhe zu haben, „hier, Südseite, kann man’s schon gut aushalten! Män langsam an da in de Küche, der Kaffe läuft schon nich weg!“ 

     Mag auch der Kaffeeduft locken, mir scheint, just hier draußen wird nun meine Nase begieriger. Alles riecht schon irgendwie anders. Wie ließe sich das nur richtig sagen? Es ist wie ein Wispern, das die Nase hört. Irgendwie so eine kuriose Empfindungsmelange aus Luft- und Erdmolekülen. Ein unvergleichliches Bouquet aus aufgebrochener Ackerscholle und feinem Birkenduft. Und da dringt nun auch noch, soeben wahrnehmbar, ein Hauch Hyazinthenduft mit durch. Welch ein Aroma! Hmm …  Lenz liegt in der Luft.

Ich sitze auf der Hausbank. Nebenbei bemerkt ist an der Ems ein Haus ohne Hausbank kein wohnliches Heim. So kann ich nun endlich wieder, schön Südseite, unter freiem Himmel sitzen und die erste milde Mittagssonne genießen. Herrlich – und doch … Hu! Unwillkürlich ziehe ich mich zusammen. Prompt pustet aus Nordwest, eine schattige Windböe um die Ecke. In der Bodensenke vor mir bibbert die verbliebene Wasserpfütze. Das Licht kräuselt sich in ihr. Doch das war’s auch schon. Die frische Böe machte nicht mehr viel her. Das bisschen Wind war nur Luft. Die Sonne lacht darüber. Gut so. Es geht aufwärts, himmelan! Lenz liegt in der Luft.

Das scheint auch ein Kiebitz gemerkt zu haben. Flugs lässt er sich – wipp, wipp – mit munterem Gehüpf an der Pfütze nieder, schaut sich um, schaut auf die Pfütze und ruft übermütig seinen eigenen Namen, so als wolle er ausrufen: „Ja, ist denn das die Möglichkeit? Ich bin’s!“ Toll. Auch er spürt es: Lenz liegt in der Luft. Seitab schaut sich das mit nur einem geöffneten Auge Bello teilnahmslos an. Der braun-weiße Münsterländer liegt ganz still in der Mittagssonne, den Kopf flach auf seine Vorderpfoten gelegt. Mit einem eintrötig sachten Gebrumm signalisiert er, wohlig dahindämmernd, nur vages Interesse. Immerhin öffnet er ungerührt auch noch das andere Auge, so, als wolle er dem Kiebitz signalisieren: „Nun zappel da doch nicht gleich so herum. Lass dich lieber von den ersten warmen Sonnenstrahlen streicheln.“ Auch Bellos Witterung trügt ihn nicht. Lenz liegt in der Luft.

     Wie Bello blinzele ich mit halbgeöffneten Augen in den weltenfernen Himmel. Soeben feinblau, längst nicht mehr so grau. Mir ist, als wirke schon etwas Wärme mit durch, so als wollten sich Licht und Sonne vermischen, Himmel und Erde eins sein, quasi wie eine Doppelnatur, wie Moll mit Dur. Das gibt’s wohl nur im Frühling. Ja, Lenz liegt in der Luft.

     Ich atme tief durch. Das Frühjahr hat viele Aromen. Es riecht gesund, mit einem krautig-bitteren Hauch. Das macht, wohl vorn von der Hecke her, der Holunderbusch. Es scheint, als wollten in der wohlig-warmen Mittagssonne seine üppigen Knospen schon gerne platzen. Das verströmt dieses intensive Aroma. Zieht das die Vögel an? Plötzlich ist’s ein Piepen, Zwitschern, Hüpfen, Flattern und Springen. Besonders da seitlich am gluckernden Grabenrand. Das plätschernde Wasser funkelt um den alten Birkenstamm herum. Die Birke ist so alt wie ich. Der alte Gayer, mein Urgroßvater, hat mir oft erzählt, dass die kleine Birke damals zu meiner Taufe sein Geschenk an mich war. Sie habe es da im Garten „erst gar nicht so recht tun wollen“, dann aber doch „gut Fuß gefasst“. Otto, denke ich, irgendwie passt das zu dir. Hätten die Ahnen seinerzeit geahnt … In die Lenzphilosophie mischt sich ein so ein wohliger Anflug Melancholie. Schön. Just so, als wolle der Baum sich auf seine Art daran beteiligen scheint es, er versuche, mit seinen feinen, peitschenförmigen Zweigen noch was vom Wind einzufangen. Doch ist da nicht mehr viel zu fangen. Nein. Lenz liegt in der Luft.

    Ich werde wieder gerufen. Streng: „Entweder kömms nu orre ick kipp en glieks wech! Koffi is nich wat för Klüngelantons!“ „Jaja, ick komm all!“ Ich recke mich, stütz die Hände auf die Knie und stehe auf. Die Birke zieht mich magisch an. Aus einer Borkenwunde quillt ein Tropfen, ein Tropfen Birkenfrühlingssaft. Fein glitzert funkelnd punktgenau die Sonne darin. Vorsichtig tippe ich mit dem Zeigefinger daran und nippe davon. Mit nichts zu vergleichen … Reines Frühlingsaroma! Bei diesem besonderen Geschenk der Natur vergesse ich den Kaffee. Kein Wunder, denn:

     Lenz liegt in der Luft.

Emstypisch

Blühn aus Plattdeutsch feine Döönkes,
spriessen Hochdeutsch nette Klöönkes.
Worum es sich auch immer dreht,
meist geht‘s darum, wie es so geht.

Wer klöönen kann, „ohn‘ viel Gedoo“,
sagt, wie es ist, doch mit Niveau.
Gleicht das Gespräch auch keiner Kür,
es hat mit einem Wort „Gespür“.

Und sollt‘ es auch mal stille sein,
fühlt man sich dennoch nicht allein.
Mutmaßlich brauchen auch Gedanken
hin und wieder einmal Schranken.

Sich so behutsam zu berühren,
lässt sich einander besser spüren.
„Emstypisch“ nennt man das hier wohl.
Das Wort, mir scheint es, klingt nicht hohl.

Sei zum Wunder mal bereit

© Otto Pötter, Rheine

Bild: pixabay

Es können feinste Spinnenweben
oft wunders was zu denken geben.
Auch kann man oft nur staunen,
was sanfte Brisen manchmal raunen …

Dann halt zum Wunder dich bereit,
halte inne, nimm dir Zeit
und lass dich nicht gefangen nehmen
von Wirrwarr, Hektik und Problemen.

Rücke einfach ab ein Stück
und wage einen Seitenblick.
Halte inne, nimm dir Zeit,
sei auch zum Wunder mal bereit.

Das macht dir Herz und Seele weit –
schenkt in der Zeit dir Ewigkeit

Ich bin behütet und geborgen

© Otto Pötter

Bild: pixabay

Ich möchte Stress mit Ruhe tauschen,
einfach da sein, still, geborgen.
So möcht ich nach innen lauschen,
wohlbehütet, ohne Sorgen.

Es atmet mich im Schweigen.
Ich ruhe, ganz ergeben.
Von innen her nun steigen
Bilder auf, die mich beleben.

Statt zu denken, schaue ich.
Transparent schau ich, lichtfein.
Herz und Seele öffnen sich
und lassen Sternenschein hinein.

Ich fühl mich frei, empfinde Weite,
warm durchstrahlt von hellem Licht.
Gott steht schützend mir zu Seite,
es ist, als ob Er mit mir spricht.

Mir zeigt sich, wer ich wirklich bin;
ich seh‘ mich klar auf meinem Weg,
als Ziel voraus mein Lebenssinn,
weit hinter mir manch Sakrileg.

Seelenruhig wird mir gewiss:
Ich bin behütet und geborgen.
Heil ist alles, ohne Riss,
unbekannt sind Angst und Sorgen.

Kein Kummer kann mich hier erreichen.
Ich atme leicht und unbeschwert,
spür, wie alle Zweifel weichen
und nichts mehr meinen Frieden stört.

Erfüllt von makelloser Harmonie
durchströmt mich heilend, stärkend, rein,
göttlich durchwirkte Energie.
Ich fühl mich niemals mehr allein.

Was die Seele braucht

© Otto Pötter

Emma Pötter (1926 – 2003): Sommerabend an der Ems, Aquarell 1980

Sie braucht einen Platz,
auf dem sie steht.
Sie braucht einen Freund,
der mit ihr geht.

Sie braucht ein Tun,
das sie täglich erfreut.
Sie braucht Stille,
Sinn und Beharrlichkeit.

Sie braucht etwas Schönes,
das empor sie hebt.
Sie braucht den Frohsinn,
solange sie lebt.

Sie braucht Orientierung,
für Gott bereit,
zum Lauschen und Ahnen
der Ewigkeit.